Samstag, 15. Januar 2011

Im Wandschrank war es so dunkel, und die Dunkelheit hatte die Farbe von altem Blut.

FLAVIA DE LUCE : MORD IM GURKENBEET (2009) ist der erste Band der Flavia de Luce Reihe von Alan Bradley.

Großbritannien in den 1950ern.
Während ihre beiden älteren Schwestern Ophelia und Daphne sich für ihr Spiegelbild, bzw. Literatur begeistern, ist die 11jährige Flavia de Luce vollkommen in ihrem Element, wenn es sich um Chemie – und mit besonderer Vorliebe: Gifte – dreht. Als dann eines Morgens einen fremder rothaarigen Mann im Gurkenbeet der de Luces stirbt und Flavia ihn findet, erwacht sterbend außerdem ihr kriminalistischer Spürsinn und sie und ihre treue Freundin Gladys (ein Fahrrad) verbringen viel Zeit auf noch mehr Ausfahrten als üblich um Nachforschungen an zustellen.
Eines hat sie der Polizei voraus: Sie weiß, dass der Fremde in der Nacht vor seinem Tod Streit mit ihrem Vater hatte. Trotzdem ist Flavia von seiner Unschuld überzeugt – aber: hat sie damit Recht?

Flavia ist sehr selbstbewusst und vorlaut, aber wer könnte sich nicht für ein Mädchen begeistern, die ihr Fahrrad Gladys tauft? Überhaupt liebe ich die Namen in dem Buch: Flavia, Daphne, Gladys und Ophelia! Großartig!!

Chemiebegeisterte werden sich über des Öfteren eingestreute chemische Informationen freuen – chemie-unempfänglichere Naturen werden sich davon aber nicht stören lassen. Literaturliebhaberinnen bekommen dafür dann und wann etwas Dickens serviert. (Kenntnis der Klassiker macht das ganze zwar noch spassiger, ist aber nicht erforderlich.) Auch Briefmarkenfreunde kommen auf ihre Kosten.
Das ganze beginnt wie ein altmodischer Krimi, endet aber mit einem Psychothriller-würdigen Ende. - Nein, keine Sorge: Das Herzinfarktrisiko liegt trotzdem sehr niedrig. Blutig wird es jedenfalls nicht.

Wer schon immer wissen wollte wie man einen Lippenstift vergiftet (Achtung, die Dinger waren damals kleiner als heute!) ist bei Flavia de Luces 1. Abenteuer in besten Händen.

Perfektionisten muss ich allerdings abraten: einen Schnitzer (einen spontanen Datumswechsel) hat sich Herr Bradley (oder die Übersetzer?) leider doch erlaubt. Wer drüber weg schauen kann, den wird es aber nicht groß stören.
  • Sexappeal: Tendenz gegen null. Flavia beobachtet allerhöchstens Mal einen flüchtigen Kuss und der Teenager Ophelia schmachtet kichernd vor sich hin.

  • Woher nehmen: Gebunden im Handel unter ISBN 978-3-7645-3027-3, als Taschenbuch unter ISBN 978-3-442-37624-7 erhältlich.

Freitag, 14. Januar 2011

Aislings Mutter starb mitten im Sommer.

Mal wieder ein vergleichsweise schmaler Band mit 268 Seiten ist Malinda Los Debütroman ASH von 2009, der in die Kategorie fantastischer Jugendroman fallen dürfte.

Es war einmal ein Mädchen namens Aisling, das Ash genannt wurde und deren Vater nach dem Tod ihrer Mutter erneut heiratete. Als kurze Zeit nach der Hochzeit Aislings Vater stirbt muss das Mädchen bei ihrer Stiefmutter und bei ihren Stiefschwestern wie eine Sklavin schuften. Dann gibt der Prinz des Landes einen Ball…

– Mooooment! Kommt Euch das eventuell bekannt vor? Keine Angst, abgekupfert ist diese Geschichte dann doch nicht: -

Ash weiß aus alten Geschichten, dass Feen sich ab und an Menschen holen und diese dann bei ihnen leben müssen und nie wieder zurück in die Welt der Menschen können – was in ihrer Situation eine deutliche Verbesserung wäre. Und tatsächlich scheint der ätherisch schöne Sidhean vom Feenvolk nicht abgeneigt sie mit sich zu nehmen – doch dann macht Ash die Bekanntschaft der ebenso unabhängigen wie faszinierenden königlichen Jägerin Kaisa.

Ich muss sagen, dass ich schon über ein Jahr lang kein Jugendbuch mehr gelesen habe – und das auch Fantasy nicht unbedingt mein übliches Revier ist, daher hatte ich anfangs auch Schwierigkeiten mich in die Handlung einzulesen. Zum Ende hin wurde es aber immer besser. Vielleicht ist aber auch das Ende wirklich besser als der Anfang – da bin ich tatsächlich überfragt. :“)

FreundInnen von Märchen werden gewiss Gefallen an den eingestreuten Feenmärchen finden, die immer wieder erzählt werden. Die Feen dürft Ihr Euch übrigens nicht wie Peter Pans Tinkerbell vorstellen – diese Feen sind wohl eher im Bereich der Tolkienschen Herr der Ringe-Elben anzusiedeln.
Was mir tatsächlich am besten gefiel: Die lesbischen Beziehungen, die in dem Buch vorkommen werden niemals als problematisch hingestellt. Der Feld-Wald-und-Wiesen-Jugendroman mit lesbischem Inhalt behandelt ja in erster Linie die Probleme die das Pärchen durch seine Andersartigkeit hat und gegen welche Widerstände es eben als explizit lesbisches Pärchen kämpfen muss – und gerade dieser Aspekt fehlt. Homosexualität, d.h. hier lesbische Liebe, ist in dieser Welt kein Problem es ist vollkommen normal und akzeptiert. Und das, liebe Leute, ist genau das, was ich mir in unserer Realität wünsche. Unvorstellbar wie entspannt das Leben für viele Menschen dann wäre!
  • Sexappeal: Sex gibt es (vermutlich) nur einmal in dem Buch, denn da wird tatsächlich eine Person von einer anderen auf den Boden gezogen – und dann ausgeblendet bis es im nächsten Kapitel weiter geht. Uiuiuiui… Allerdings könnten die beiden auch eine wissenschaftliche Arbeit über Ameisen und ihre Dienstwege in Relation zur Wachtstumsgeschwindigkeit von Pfifferlingen verfasst haben. Wer weiß.. ;“)

  • Woher nehmen: Das Buch ist unter ISBN 978-3-426-28344-8 im Handel erhältlich.

Freitag, 7. Januar 2011

Ich sollte die Fleißarbeit, die Sie mir aufgetragen haben, vielleicht besser als Gespenstergeschichte beginnen...

Ein Buch das lange in meinen Bücherregalen darauf wartete gelesen zu werden, schaffte es endlich von den Regalen auf den Nachttisch – aber nicht für eine lange Zeit, da es unsagbar faszinierend war: ANGELICA von Arthur Phillips (2007).

Das viktorianische London. Constance Barton hat nach mehreren Fehlgeburten endlich einer Tochter das Leben geschenkt: Angelica. Constances Gesundheit hat dermaßen gelitten, dass die Ärzte ihr von jeder weiteren Schwangerschaft abraten, da das ihren sicheren Tod bedeuten könne.
Als Angelica vier Jahre alt ist, quartiert ihr Vater - Constances Ehemann Joseph – sie aus dem elterlichen Schlafzimmer aus und fordert seine ehelichen Rechte bei Constance ein. Damit im Zusammenhang zu stehen scheint eine Reihe unheimlicher Ereignisse – von unerklärlichen Rissen in Möbelstücken bis zu einem blauschimmernden Geist, den Constance dabei beobachtet wie er Angelica heimsucht. Kann die herbeigerufene Anne Montague, die sich in okkulten Fragen auskennt, helfen? Hat Joseph etwas mit den Geschehnissen zu tun? Ist Missbrauch im Spiel? Oder verliert Constance langsam den Verstand?

Um es gleich vorweg zu sagen: In diesem Buch stehen komplett sinnlose Sätze, wie z.B. die Antwort auf den Satz „Ich frage mich ob ich wahnsinnig bin.“:

Reden Sie wirres Zeug mit Katzen, die auf Fenstersimsen hocken?

- Also, wirklich. Ich habe das mit meinen Katzen diskutiert und die fanden das auch albern.

Es ist möglich, dass Ihr während der Lektüre zu überlegen beginnt, ob Ihr nicht auch nachts die Spiegel verhängen solltet. Als sehr effektvoll hat sich übrigens ein kurzer Wackelkontakt in meinem Lichtschalter im richtigen Moment erwiesen – und dass zur selben Zeit der Wind ums Haus heulte..

Auf jeden Fall interessant ist die Theorie, dass alle Frauen latent wahnsinnig sind - und nur durch einen Mann der Ausbruch dieses weiblichen Wahnsinns eingedämmt werden kann:

„Folglich hatten alle Witwen und alte Jungfern auf der ganzen Welt Marotten. Niemand verhinderte, dass ihre Schrulligkeit gnadenlos überall einsickerte.“ So, so. Sieh an..

Und wusstet Ihr Folgendes?:

„Für jeden Mann, selbst einen verheirateten Mann im geheimen Einverständnis mit seiner Frau, ist eine übermäßige Entleerung von Samenflüssigkeit normalerweise tödlich.“

– Seid Ihr Euch Eurer Verantwortung bewusst? Ich bitte Euch das in Zukunft zu bedenken, wenn Ihr wieder wollüstig über so ein armes Kerlchen herfallt!!

Schön ist auch der Vergleich eines Psychiaters, der befand, dass menstruierende Frauen im Endeffekt eine starke Ähnlichkeit mit Werwölfen aufweisen – und genauso abhängig vom Mond sind.

Das Buch wimmelt nur so von – im wahrsten Sinne des Wortes viktorianischem Sexismus und Rassismus. Sehr spannend fand ich, dass man die Geschichte erst aus der Sicht Constances, dann Annes, anschließend Josephs und ganz zum Schluss Angelicas Sicht auf die Dinge erfährt.
Das Ganze ist konzipiert wie ein Bericht an einen Arzt – wer da berichtet erfährt man allerdings erst ziemlich spät und Ihr dürft am Ende auch nicht erwarten, dass Euch die Lösung auf einem silbernen Tablett serviert wird. Vieles hier wird impliziert und sieht im nächsten Moment schon ganz anders aus – was ich an diesem Buch auch besonders mochte.
  • Sexappeal: Im Endeffekt dreht sich hier fast alles – wenn auch in einer sehr verhüllten Art – um Sex und die viktorianische Sichtweise darauf.

  • Woher nehmen: Das Buch ist derzeit nur als Taschenbuch unter folgender ISBN im Handel zu erhalten: ISBN 978-3-442-47002-0.
Zusammenfassend lässt sich vielleicht sagen, dass das Buch nur stellenweise gruselig ist, dafür aber auch sehr tragisch - ohne allerdings dass Ihr Taschentücher in Griffnähe bereit halten solltet - und dass vielleicht auch in unseren Leben mit mehr Offenheit einiges verhindert werden kann.

Samstag, 1. Januar 2011

Warum wollte sie nicht über Weihnachten in den Norden fahren?

Wieder ein Debütroman - und wieder von einer meiner Lieblingsautorinnen:
LADY HELENAS GEHEIMNIS (FROZEN LAKE) von Elizabeth Edmondson. (2004)

1921 starb erst Neville Richardson bei einem Kletterunfall in den Anden und später seine Frau Lady Helena - zusammen mit der gemeinsamen ältesten Tochter Isabel bei einem Autounfall in Amerika.
Mittlerweile sind fast 16 Jahre vergangen: Es ist Weihnachten 1936 und die übrig gebliebenen Richardson-Kinder treffen sich mit den restlichen Familienmitgliedern auf dem Familiensitz Wyncrag im Lake District im Norden Englands (Manchester ist nicht sehr weit entfernt.) - es herrscht nicht gerade ungetrübte Weihnachtsstimmung: Großmama Caroline herrscht mit eisernem Willen und schafer Zunge. Die 24jährige Alix, die zum ersten Mal seit drei Jahren wiederzurückgekehrt ist (dass sie für ihren Lebensunterhalt arbeitet ist ganz und gar nicht in Großmamas Sinn...) will endlich einige Mysterien der jüngeren Familiengeschichte klären und stösst damit bei vielen Personen nicht gerade auf überschwängliche Begeisterung - und auch die Nachbarn haben ihre dunklen Geheimnisse.

Auch wenn die ersten 100 Seiten (von insgesamt 569 immerhin) vor soviel Personen eventuell etwas verwirrend sind - aber dafür gibt es zum Glück im Anhang ein Personenregister und anschließend liest es sich wirklich nur so weg - und vereinzelt solche geschwollenen und dadurch etwas lächerliche Formulierungen wie "Mein Gesicht zeigt das harte Antlitz der Eifersucht..." (Also, wirklich!) fallen: LADY HELENAS GEHEIMNIS ist ein großartiges Buch! Unsagbar starke Frauenfiguren und wunderbar kalte Winterlandschaften!

Vielleicht keine klassische Weihnachtslektüre mit Bratapfelduft und pausbäckigen Kindern die mit glänzenden Augen Geschenke auspacken - aber eine fesselnde Lektüre für Winterabende. Wenn, ja, wenn (!) Ihr die Spannung denn so lange rauszögern könnt - und es nicht an einem Abend (und einer Nacht) durchlest! Denn hier tun sich unfassbare Abgründe auf. Nicht nur die üblichen Intrigen - nein, hier spielen auch die politsche Lage 1936 (inkl. englischer Faschisten), ein wiederkehrender Albtraum und natürlich der (im Original) titelgebende gefrorene See eine Rolle.

Ich würde ja sagen: bei diesem Roman handelt es sich um ganz großes Kino! - und ich wünschte die BBC würde sich ein paar von Elizabeth Edmondsons Romanen vornehmen - sie schreien ja geradezu danach!

Vielleicht wird das Buch ja doch noch zu einem Festtags-Klassiker - Ich will es in diesem Jahr zwischen Weihnachten und Silvester jeden falls wieder lesen.

  • Sex-Appeal: Ja, hier haben verschiedene Personen Sex - manchmal einvernehmlich, manchmal nicht - aber auf keinen Fall ausführlich.

  • Woher nehmen: Das Buch ist als Taschenbuchversion (ISBN: 978-3-499-23875-8, Cover siehe oben) im Handel erhältlich. Es gibt auch eine Sonderausgabe für 5,00 €uro (ISBN 978-3-499-25205-1) - mit einem unglaublich schrecklichen Cover - oder denkt Ihr bei einer gelben Tulpe an eine Wintergeschichte?? Da gefällt mir die erste Version (siehe Eintragsbeginn) um einiges besser!
Ja, ich bin Buchcover-fixiert - und deswegen hier gleich zum Vergleich das englische Cover, dass ich auch sehr schön finde - denn was Ihr da seht bekommt Ihr im Buch auch zu lesen: Ein Herrenhaus, Schnee, ein gefrorener See und Schlittschuhläufer.




Tja, so muss das aussehen, Leute!